Prunk und Luxus in den Villen Pompejis
Die berühmte Stadt unter dem Vesuv wartet immer wieder mit Neuigkeiten auf.
So kamen in den letzten Jahren unter der dicken Schicht aus Lava immer wieder neue Entdeckungen zum Vorschein, etwa bisher unbekannte Räume in den Villen der Reichen. Doch nach wir vor gibt es in Sachen Prunk und Luxus einen unangefochtenen Spitzenreiter mit dem so genannten „Haus der Vettier“.
Die Besitzer hatten viel Geld und Sorgfalt investiert, um die Villa nach dem Erdbeben von 62 n. Chr., das große Teile der Stadt in Mitleidenschaft gezogen hatte, wieder in Schuss zu bringen. Und als im Oktober 79 n. Chr. der Vesuv ausbrach, erstrahlte der Komplex wieder in vollster Pracht, so dass er bis heute zu den Vorzeigeobjekten Pompejis zählt. Hier lebten, wohnten und repräsentierten zwei Angehörige der Familie der Vettier. Aulus Vettius Conviva und Aulus Vettius Restitutus waren Prachtexemplare jener Schicht von Neureichen, die in den Jahren vor dem Untergang der das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in der Stadt prägten. Von Beruf waren sie, allgemein gesagt, Kaufleute. Sie waren an allen Geschäften beteiligt, die in der Stadt und in der Umgebung Geld einbrachten. Spezialisiert hatten sie sich auf die Produktion und den Vertrieb von Wein. Und das Geld, das die beiden Unternehmer verdienten, investierten sie nicht zu knapp in ihr unbescheidenes Heim. Wie bei so vielen Aufsteigern dokumentiert die Villa den etwas zwanghaft und daher letztlich auch missglückt wirkenden Wunsch, sich den Anforderungen einer gehobenen Wohnkultur gewachsen zu zeigen und damit die Eintrittskarte in exklusive Gesellschaftskreise zu lösen. Schließlich musste man sich auch konkurrierender Mitaufsteiger erwehren, die ebenfalls keine Kosten und Mühen scheuten, um sich ein statusgerechtes Heim zuzulegen. So gab es einen gewissen Cornelius Tages, der nicht weniger als vier nebeneinander liegende Häuser aufkaufte und sie durch entsprechende bauliche Veränderungen zu einer großen Wohneinheit umgestaltete.
Eine Stadtvilla wie die der Vettier war etwas zum Vorzeigen. Und so herrschte bei ihnen im Haus auch immer Hochbetrieb – sei es aus geschäftlichen, aus repräsentativen oder einfach auch nur geselligen Gründen. Und keinem der Besucher wird das Los erspart geblieben sein, sich in Begleitung der Hausherren einer Führung durch die Räumlichkeiten auszusetzen. Das konnte einige Zeit beanspruchen, denn die Villa der Vettier war ziemlich weit dimensioniert und besonders reich dekoriert. Die Wandmalereien ordnen die Kunstexperten dem „Vierten Pompejanischen Stil“ zu, also der letzten Stilpeoche, die Pompeji noch erleben durfte. Das Gebäude selbst war in zwei große Wohnkomplexe aufgeteilt, die durch einen Garten und einen Peristyl, also einen überdachten Säulengang, miteinander verbunden waren. Ursprünglich hatte es sich einmal um zwei getrennte Wohneinheiten gehandelt, die später – wahrscheinlich von den Vettiern selbst – zu einem neuen, größeren Komplex vereint worden waren. Bei der Wahl der Bildmotive waren die Vettier, die auch nicht der Versuchung hatten widerstehen können, am Eingang des Hauses einen Potenz demonstrierenden Priapos zu platzieren, von dem Prinzip der besten Wirkung ausgegangen. Gleichzeitig war man bestrebt, eine gediegene klassische Bildung an den Tag zu legen. So präsentierte ein Raum unglückliche Liebespaare aus der griechischen Mythologie. Dazu gehörte selbstverständlich Pasiphae, die Frau des kretischen Königs Minos, die in Liebe zu einem Stier entbrannte. Und es fehlt auch nicht das Motiv der tragischen Liebe des athenischen Helden Theseus, der aufgrund einer Verkettung unglückseliger Umstände seine aus Kreta stammende Geliebte Ariadne, die ihm auf der Insel des Minos selbst noch mit einem Faden ausgeholfen hatte, auf Naxos zurück lassen musste.
Wenn die Vettier Gäste hatten, werden sie ihnen nicht nur diesen Raum voller Stolz präsentiert haben. Sie führten die Besucher auch in einen weiteren, angrenzenden Saal, dessen Bildschmuck sich nicht hinter dem Raum der unglücklich Verliebten verstecken musste. Hier durften die Gäste die optische Umsetzung von Geschichten und Mythen aus dem alten Theben bestaunen. Und die Vettier werden sich alle Mühe gegeben haben, den Gästen die Wandgemälde möglichst kompetent zu erläutern. Schließlich kam es ja auf darauf an, dass die gesellschaftlichen Aufsteiger einen breiten Bildungshorizont nachweisen mussten, wollten sie in ihrer Rolle als neue Elite in der Stadt akzeptiert werden.
War der Rundgang beendet, begab man sich endlich in das Triclinium, den Speisesaal. Aber hier überraschten die Gastgeber mit einer tatsächlich sehr geschmackvollen Dekoration, die in Pompeji ihresgleichen suchte. Die mythologischen Darstellungen waren so qualitätsvoll, dass mancher Besucher sich dadurch, jedenfalls vorübergehend, von dem Genuss der lukullischen Köstlichkeiten abhalten ließ, die die Diener der Hausherren inzwischen auftischten. Mänaden waren zu erkennen, dazu die Prominenz der klassischen Helden wie Paris oder Theseus. Herrschte während des Essens Langweile, konnte man sich an Bildern und Szenen aus dem griechischen Mythos delektieren, wie zum Beispiel an dem heftigen Streit, in den der Gott Apollon mit dem Konkurrenten Python wegen der Chefrolle im Heiligtum von Delphi geraten war. Oder man konnte sich durch die Bilder entführen lassen in die Welt des Agamemnon, der einst, wie die Pompejaner nach dem Vorbild der Griechen zuversichtlich zu glauben bereit waren, die Griechen nach Troja geführt hatte, um die geraubte Helena zurück zu holen.
Erspart blieb den müden Besuchern aber wahrscheinlich der Blick in einen kleinen Raum hinter der Küche. Der war aber auch offensichtlich ganz allein für die Bedürfnisse der Hausherrn reserviert. Darauf deuten jedenfalls die erotischen Motive an den Wänden hin. Vermutlich haben sich die Vettier hier diskret mit ihren Sklavinnen oder Geliebten zurückgezogen. Dagegen war der Blick in den Garten wiederum obligatorisch. Auch in dieser Hinsicht hatten die Vettier ganze Arbeit geleistet. Die Anlage konnte sich ohne Zweifel mit den Parks rivalisierender Aufsteigerfamilien in Pompeji messen. Umgeben war der Garten von einem Peristyl, in der Mitte befanden sich die sorgfältig gepflegten Beete. Und besonders beeindruckend waren die bronzene Statuen von Eroten, die den Brunnen im Zentrum des Gartens speisten, und die Hermen aus purem Marmor.
Für Neureiche wie die Vettier galt der Garten als Aushängeschild und Visitenkarte. Wiederum gab es einen edlen Wettstreit um die beste Anlage. Auch hier versuchte der unermüdliche Cornelius Tages, seine Konkurrenten in den Schatten zu stellen. Seine Gärtner und Maler zauberten ihm eine beeindruckende Nillandschaft in den Garten, so dass bei Besuchern und Bewunderern die Illusion entstand, dass man sich nicht mitten in der italischen Landstadt Pompeji, sondern direkt im fernen Ägypten befand. Das Reich der alten Pharaonen stand zu dieser Zeit in ganz Italien hoch im Kurs. Überall schmückten die Reichen und Erfolgreichen ihre Villen und Gärten mit Motiven aus dem exotischen Wunderland Ägypten. Da konnte und wollte ein Cornelius Tages natürlich nicht zurückstehen. Wie die Vettier ahnte er allerdings nicht, dass seine prunkvollen Besitztümer durch die gleichermaßen zerstörerische wie konservierende Wirkung des Vesus bis heute Aushängeschilder für antiken Wohnluxus sein würden.