Frauke und Holger Sonnabend
Frauke und Holger Sonnabend

Geschichte aktuell

Der Koloss von Rhodos – Turbulente Geschichte eines antiken Weltwunders

 

Lange stand er nicht. Dennoch schaffte es der berühmte Koloss von Rhodos in die illustre Liste der Sieben Weltwunder der Antike. Nur 66 Jahre zierte die monumentale, 32 Meter hohe Bronzestatue des Gottes Helios die reiche Stadt Rhodos. Gestiftet hatte sie ein Konsortium wohlhabender Bürger, weil man glaubte, man habe dem Schutzgott der Insel eine erfolgreich überstandene Belagerung zu verdanken.

Maarten van Heemskerck: Der Koloss von Rhodos

Das heute geläufige Bild vom Koloss von Rhodos haben antike Beschreibungen und Gemälde aus der frühen Neuzeit geprägt, wie der berühmte Kupferstich von Maarten van Heemskerck aus dem Jahr 1572. Sie zeigen die überdimensionale Helios-Statue mit gespreizten Beinen über der Hafeneinfahrt von Rhodos, in der Hand eine Fackel. Offenbar hielten die späteren Künstler den Koloss ganz funktional für eine Art von Leuchtturm. Antike Berichte, die auf den Koloss Bezug nehmen, enthalten jedoch keinerlei Hinweise auf eine solche Verwendung. Auch aus statischen Gründen erscheint es unmöglich, dass Helios als kolossales Empfangskomitee für die Schiffe fungierte, die in den Hafen von Rhodos einfuhren.

293 v. Chr. hatte die feierliche Einweihung stattgefunden. 227 v. Chr. fiel der Koloss in sich zusammen. Auslöser war ein verheerendes Erdbeben Die Schäden waren immens. Große Teile der Stadtmauern stürzten ein, in Mitleidenschaft gezogen wurden auch viele Gebäude. Trotz seiner massiven Gestalt überstand auch der Koloss das Desaster nicht. Gleich nach seiner Fertigstellung zum Weltwunder erklärt, wurde die Helios-Statue zum Weltwunder, das die kürzeste Zeit Bestand hatte. Der griechische Autor Strabon traf die Empfindungen der Rhodier genau, als er notierte: „Jetzt liegt er da, durch ein Erdbeben umgeworfen und an den Knien abgebrochen.“ 

Hafeneinfahrt von Rhodos-Stadt

Rein technisch wäre es kein Problem gewesen, den Koloss wieder aufzubauen. Doch die Menschen der Antike interpretierten Naturkatastrophen als Zeichen oder Strafe der Götter. So fragte man vorsichtshalber bei einem Orakel an. Die Auskunft war anscheinend wenig ermutigend. Ein Neuaufbau, verkündeten die Stadtoberen, sei ausgeschlossen, denn, so die auch heute noch vielseitig verwendbare Begründung: „Was gut liegt, soll man nicht bewegen“.

Dabei machte der Koloss sogar noch in seinem demolierten Zustand einen respektablen Eindruck. Offenbar war nun der Trümmerhaufen selbst zu einer Attraktion geworden. Darauf deutet zumindest eine Aussage bei Plinius hin, der in der Mitte des 1. Jahrhunderts, also 280 Jahre nach dem Einsturz, notierte: „Der Koloss wurde nach 66 Jahren durch ein Erdbeben umgestürzt. Doch auch im Liegen erregt er noch Staunen. Nur wenige können seinen Daumen umfassen, seine Finger sind größer als die meisten Standbilder. Weite Höhlungen klaffen in den zerbrochenen Gliedern. Innen sieht man große Steinmassen, durch deren Gewicht man die Statue beim Aufstellen stabilisiert hatte.“

Das Leben ging weiter, der Koloss blieb liegen. Wegen des Orakels traute sich keiner an die Trümmer heran. Doch die Rhodier waren auch clevere Geschäftsleute. Nicht umsonst war die Insel ein Zentrum von Finanzen und Handel. Und das blieb auch so, als später erst die Römer im Zuge ihrer Expansion im östlichen Mittelmeerraum die Regie über die Insel übernahmen. Immer lagen die Reste des Kolosses am einstigen Aufstellungsort herum. Wiederaufbau war verboten – aber auch das Recycling? Warum nicht die wertvollen Metallteile verkaufen?

Der Gott Helios

Es war eine Demontage auf Raten, die sich bis in das Jahr 654 n. Chr. hinzog. 871 Jahre nach Einsturz des Kolosses von Rhodos wurde der Vorhang für den letzten Akt geöffnet. Bis zu diesem Jahr 654 n. Chr. stand  Rhodos unter der Herrschaft des oströmischen Reiches von Byzanz, das nach dem Ende des weströmischen Reiches für die Kontinuität der Macht Roms verantwortlich war. Wenige Jahre zuvor war von der arabischen Halbinsel die große Expansion des Islam ausgegangen. In dieser historischen Umbruchszeit machten die Epigonen der alten Rhodier das letzte große Geschäft mit ihrem Koloss. In eben jenem Jahr 654 n. Chr. gelang es einer arabischen Flotte unter Führung des späteren Omaijaden-Kalifen Muawiya, sich nach einem Seesieg über die Schiffe der Byzantiner vorübergehend in den Besitz von Rhodos zu bringen. Der griechische Chronist Theophanes berichtet, es sei ein jüdischer Kaufmann aus Edessa, dem heutigen Sanliurfa im südöstlichen Anatolien, gewesen , der während dieses arabischen Intermezzos die Relikte des Kolosses abtransportierte. Der Verkauf muss sich für die Rhodier gelohnt haben, denn immer noch waren von dem einstigen Weihgeschenk an den Gott Helios viele Teile vorhanden. Jedenfalls brauchte der jüdische Händler für den Abtransport nicht weniger als 980 Kamele. Doch danach verliert sich die Spur des Kolosses vollends im Dunkel der Geschichte.

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